Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Arne Hermann Stopsack
Die FDP-FW-Fraktion hat dem Haushalt des LWL für 2022 in der Landschaftsversammlung am 27.01.2022 zugestimmt. Fraktionsvorsitzender Arne Hermann Stopsack begründete diese Zustimmung in seiner Haushaltsrede, in der er den Blick aber auch nach vorn richtete und auf die zahlreichen Risiken und Herausforderungen hinwies:
Rede der FDP-FW-Fraktion zum Haushalt 2022 des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe:
Sehr geehrter Vorsitzender Klaus Baumann,
Herr LWL-Direktor Matthias Löb,
liebe Kolleginnen und Kollegen in der Landschaftsversammlung,
sehr geehrte Damen und Herren!
Heute verabschieden wir einen Haushalt in schwieriger Zeit, weil sich die Einnahmen noch schlechter als sonst prognostizieren lassen und die Ausgabendynamik zunimmt. Die vergangenen Jahre haben auch dazu geführt, dass der Fokus von Verwaltung und Politik auf anderen Themen lag. Somit konnten viele wichtige Herausforderungen leider nicht mit der nötigen Energie vorangetrieben worden.
Es ist die kommunale Familie, die an vielen Stellen die Hauptlast der Bekämpfung von Covid trägt. Und sie macht das professionell, weitgehend geräuschlos, flexibel und effizient. In der Krise hat sich die kommunale Selbstverwaltung wieder einmal bewährt. Der LWL hat an vielen Stellen dazu beigetragen. Ich erwähne hier beispielhaft unsere Aufgaben als Schulträger oder die Abwicklung des Infektionsschutzgesetzes, wo innerhalb von wenigen Tagen eine neue Struktur geschaffen, organisiert und mit Personal besetzt werden musste.
Die kommunale Familie ist aus finanzwirtschaftlicher Sicht bis jetzt ganz gut durch die Krise gekommen. Dazu hat auch beigetragen, dass die schwarz-gelbe Landesregierung die Finanzausstattung der Kommunen über das GFG auskömmlicher gestaltet hat, als das bei den Vorgängerregierungen der Fall war. Auch die Hilfen in der Coronazeit, ich erinnere hier an das Gewerbesteuerausgleichsgesetz, haben die negativen Folgen abgefedert. Immerhin hat das Dortmund ermöglicht, in 2020 einen Haushaltsüberschuss von 98 Mio. Euro zu verbuchen und 2022 „nur“ 37 Mio. Defizit zu schreiben.
Jahrelang haben wir uns um Schulden und Zinsen keine Gedanken machen müssen – ja, wir haben mit unseren Krediten sogar Geld verdient. Das ist nun (wahrscheinlich endgültig vorbei), die Zinsen ziehen deutlich an und die Zinserwartung im Markt deutet auf einen weiteren kräftigen Anstieg hin. So durchbrach vor einer Woche die Rendite der richtungsweisenden 10-jährige Bundesanleihe erstmals seit Mai 2019 wieder die Nulllinie und rentiert wieder im positiven Bereich! Der Staat zahlt also wieder für seine Schulden. Da muss man wieder verstärkt den Blick auf unsere Schulden beim LWL richten.
Die Verbindlichkeiten des LWL weisen neben Investitionskrediten von 207.388.174,02 € Liquiditätskredite von 100 Mio. € auf. Wenn man jedoch genauer hinschaut, muss man auch die Verbindlichkeiten aus dem Liquiditätsverbund des LWL hinzunehmen, das sog. treuhänderische Sondervermögen. Und dieses beläuft sich auf immerhin 596,5 Mio. Euro. Somit steht der LWL faktisch mit ca. 900 Mio. Euro in der Kreide. Ein Zinsanstieg am kurzen Ende von gut einem Prozent, würde also eine zusätzliche Belastung von 10 Mio. Euro auslösen.
Mit dem Zinsanstieg korrespondiert die kräftig angezogene Inflation, die im Dezember eine Jahresrate von 5,3% erreicht hat, der höchste Wert seit 1993. Die Folgen dieser Entwicklung spürt auch der LWL an allen Ecken und Enden, denn schließlich müssen auch wir unsere Räume heizen und Material beschaffen. Noch deutlicher ins Kontor werden die steigenden Personalkosten schlagen. Neben der sich ankündigenden Lohn-Preis-Spirale, dem dieses Jahr politisch intendierten Mindestlohnanstieg auf 12 Euro führt auch der grassierende Fachkräftemangel zu einem mittel- und langfristig deutlich höheren Lohnniveau. Und wir wissen ja alle, wie viel Personalkosten direkt oder indirekt in unserem Haushalt stecken.
Beim Thema Personalentwicklung stehen wir vor der paradoxen Situation, dass wir seit Jahren einen deutlichen Aufwuchs der Stellen beklagen, dieses Jahr 193, auf der anderen Seite beklagen, dass wir kein geeignetes Personal finden, also viele Stellen nicht besetzen können. Besonders im Bereich IT und Bauen ist der Markt leergefegt; der Fachkräftemangel trifft die öffentliche Hand voll. Diese Tendenz können wir bei allen Kommunen und Kommunalverbänden beobachten. Selbst der „Musterkreis“ Borken, der Kreis mit der niedrigsten Umlage in Westfalen-Lippe, vermeldet 2022 eine Stellenmehrung von 37,75, der Märkische Kreis 111 Stellen. Spitzenreiter ist hier Dortmund mit 365 neuen Stellen.
Die Baupreise explodieren in den letzten Monaten: Für Wohngebäude sind im November so stark gestiegen wie seit mehr als 50 Jahren nicht mehr. Sie erhöhten sich um durchschnittlich 14,4% im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das ist der höchste Anstieg der Baupreise gegenüber einem Vorjahr seit August 1970. Beide Entwicklungen, also die Inflation der Baupreise und der Fachkräftemangel, treffen besonders den Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB). Und dabei ist der BLB ja nur interner Dienstleister zur Umsetzung der großen Bauvorhaben des PsychiatrieVebundes, der Kultur und der Schulen. Der neue Dezernent Urs Frigger ist um diese Herausforderung nicht zu beneiden, zumal er ja auch bei der KVW große Aufgaben hat!
Der besondere Dank der FDP-FW-Fraktion gilt dieses Mal vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landschaftsverbandes, die im PsychiatrieVerbund in den vergangenen zwei Jahren unter ganz schwierigen Bedingungen gearbeitet haben und weiterhin arbeiten. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ab 15.03. stellt die nächste große Herausforderung dar.
Es ist deshalb eine große Leistung, dass der PsychiatrieVerbund schwarze Zahlen schreibt. Immerhin haben 2019 33% der Krankenhäuser einen Jahresverlust verzeichnen müssen. Der PsychiatieVerbund ist somit in der Lage, eine aktive Rolle bei der Neugestaltung der Krankenhauslandschaft zu spielen. Hier sind wir Anker und Partner der Kommunen. Ziel muss immer ein guter Mix aus privaten Kliniken sowie kommunalen und gemeinnützigen Trägern sein.
Besonders von der Pandemie war und ist die Kultur in all ihren Facetten betroffen. Schnell wurden hier allerdings neue Formate kreiert und neue Wege der Präsentation gefunden. Dass immerhin noch 1,1 Mio. Menschen 2021 die Museen besucht haben, ist ein Erfolg und zeigt, wie dringend sich die Menschen nach Kultur sehnen.
Wichtig ist der FDP-FW-Fraktion besonders die Balance zwischen überregional wahrgenommenen Leuchtturmprojekten und der Unterstützung der oft kleinteiligen Kulturarbeit in den Kommunen, besonders im suburbanen Raum.
Für die kommenden Jahre wünschen wir uns im Bereich der Kultur weiterhin den gleichen Elan, die gleiche Kreativität und eine effiziente Projektsteuerung, damit die Zahlen am Ende auch immer den Zahlen der Planung entsprechen.
Als FDP-FW-Fraktion möchten wir erreichen, dass der LWL in den kommenden Jahren noch mehr Impulse in die kommunale Familie gibt und verstärkt als freiwilliger Dienstleister für diese agiert. Die Flutkatastrophe hat die Gefahren für Archive und Registraturen offenbart. Hier könnte der LWL für interessierte Kommunen sein Wissen zur Verfügung stellen und kooperative Lösungen anbieten, ähnlich wie bei dem Zentralen Museumsdepot.
Bis auf den üblichen Theaterdonner, so ist unser Eindruck, können die Mitgliedskörperschaften mit dem Umlagesatz von 15,55% gut leben und haben den schon in ihren Haushalten verarbeitet.
Öffentlichkeitswirksam hat die SPD gefordert, noch deutlicher ins Minus zu gehen und 100 Mio. Euro zusätzlich aus der Ausgleichsrücklage zu entnehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD: Diese 100 Mio. Euro haben wir schon entnommen! Im Doppelhaushalt für 2020/21 war für dieses Jahr ein Plandefizit von 36,8 Mio. Euro vorgesehen. Dieses wird aber deutlich höher ausfallen, nach dem aktuellen Bericht des Kämmerers per 30.11.2021, wird das Defizit bei 143,9 Mio. Euro liegen, also 107,1 Mio. Euro mehr! Mit dem vergangenen Doppelhaushalt des LWL hat dieser 145,5 Mio. Euro an Eigenkapital verzehrt, ungefähr die Hälfte der Ausgleichsrücklage.
Problematischer ist der Blick nach vorn: Die wirklich schwierigen Jahre für die kommunale Familie kommen noch. Es muss unser politisches Ziel sein, den Auswuchs der Zahllast gegenüber der Mittelfristplanung deutlich zu reduzieren.
Das Thema müsste also SPAREN der öffentlichen Hand heißen. Wenn man dies öffentlich anmahnt, bekommt man immer Applaus, wenn man jedoch konkret sagt, was man sparen oder nicht ausgeben möchte, schlägt die Begeisterung gleich ins Gegenteil um. Treffend hat das Norbert Blüm beschrieben: „Alle wollen den Gürtel enger schnallen, aber jeder fummelt am Gürtel des Nachbarn herum.“ Es geht aber kein Weg daran vorbei, dass wir uns immer wieder fragen müssen: ob wir etwas überhaupt machen wollen, wie wir es machen und wann wir es machen wollen. Nach 25 Jahren in kommunalen Vertretungskörperschaften bin ich ein wenig desillusioniert. Meist ist es schon ein Erfolg, wenn die Ausgaben nicht steigen und die Standards nicht angehoben werden.
Der jetzt zu beschließende Umlagesatz von 15,55% entspricht aus Sicht der FDP-FW-Fraktion dem Rücksichtnahmegebot, stellt die Handlungsfähigkeit des Landschaftsverbandes sicher und ist somit nachhaltig. Wir werden dem Haushalt zustimmen.
Selten waren die Unsicherheiten auf allen Gebieten so groß wie heute, die Zukunft so schwer prognostizierbar, doch lassen Sie uns gemeinsam den Blick optimistisch nach vorn richten. Enden möchte ich deshalb mit einem Zitat von Marie Curie: „Ich beschäftige mich nicht mit dem, was getan worden ist. Mich interessiert, was getan werden muss.“
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, bleiben Sie gesund und: Glück auf!
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