Studioausstellung zum Kriegsgefangenenlager Stalag 326 im LWL-Archäologiemuseum

Am Donnerstag, 4. April, eröffnete Kai Abruszat in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender der Landschaftsversammlung im LWL-Museum für Archäologie und Kultur in Herne die Studioausstellung „Überleben!“.

Die Ausstellung, die noch bis zum 26. Mai läuft, ist Teil der der aktuellen Sonderausstellung „Modern Times“ über archäologische Funde der Moderne. Sie rückt

ein weiteres westfälisches Bodendenkmal ins Rampenlicht: das ehemalige Kriegsgefangenenlager Stalag 326 (VI K) Senne in Schloss Holte-Stukenbrock (Kreis Gütersloh).

Das Stalag 326 („Stammlager“) war während des Zweiten Weltkrieges mit über 300.000 durchgeschleusten sowjetischen Kriegsgefangenen das größte Lager dieser Art („Russenlager“) im Deutschen Reich. Es war zentrale Drehscheibe für die „Versorgung“ mit Zwangsarbeitern auf Bauernhöfen und Fabriken in Westfalen und im Rheinland. Auf dem nahegelegenen Ehrenfriedhof sowjetischer Kriegsopfer sind Tausende Tote begraben.

Ab Anfang April 1945 internierte die US-Armee auf dem 400.000 Quadratmeter großen Gelände für kurze Zeit deutsche Kriegsgefangene. 1946/47 nutzten die Briten das Lager zur Internierung von ranghohen Nationalsozialisten und Kriegsverbrechern. Im Anschluss wurden in den Unterkünften Flüchtlinge und Vertriebene untergebracht. Seit 1970 befindet sich auf dem ehemaligen Lagergelände ein Polizeiausbildungsinstitut.

Die ca. 75 Funde und Fundkomplexe, darunter über 1.000 Erkennungsmarken der Häftlinge, zeugen eindrucksvoll vom Schicksal der Menschen, die hier während des Zweiten Weltkriegs inhaftiert waren – und von ihrem Kampf ums Überleben. Dessen Dokumentation ist dem LWL ein besonderes Anliegen. Man will die Erinnerung an die Geschichte von Kriegsgefangenschaft und Zwangsarbeit in der NS-Zeit wach halten und damit ein Zeichen setzen in Zeiten, da der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist. Aus diesem Grund soll in den nächsten Jahren auf dem ehemaligen Lagergelände ein Dokumentationszentrum und eine Gedenkstätte entstehen. Die Studioausstellung im Museum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) präsentiert vorab erste Erkenntnisse der archäologischen Untersuchungen.

LWL-Chefarchäologe Prof. Dr. Michael Rind: „Eine Herausforderung für die LWL-Archäologie für Westfalen bildet sicherlich die Masse an Funden, ihre Aufbewahrung und Konservierung, darunter allein ein Berg von über 1.000 Schuhen aus der sogenannten Nachnutzungszeit des Lagers. Sie stehen stellvertretend für ein Problem, mit dem sich die Archäologie der Moderne häufig konfrontiert sieht: Was soll restauriert und eingelagert werden?“ Jedes Zeugnis sei für die Nachwelt möglicherweise von Bedeutung. „Vor allem archäologische Funde liefern wertvolle Hinweise für die detaillierte Rekonstruktion von Abläufen. Denn nicht jeder Schritt ist schriftlich dokumentiert, Zeitzeugen erinnern sich nicht an alles. Zudem sind die archäologischen Quellen handfeste Beweise, die jeder Relativierung standhalten.“ Ihre verantwortungsvolle Auswahl durch Archäolog:innen berge auch im Falle von Stalag ein großes Potential.

Erste wichtige Erkenntnisse, die auch in der Ausstellung „Überleben!“ präsentiert werden, sind beispielsweise Bodenverfärbungen, die Erdlöcher belegen, von den sowjetischen Kriegsgefangenen in der Anfangszeit des Lagers als Unterkunft gegraben. Ihr Ausmaß zeigt der Nachwelt, dass diese in sehr unterschiedlichen Größen existierten, von sehr klein bis groß genug für mehrere Männer. So ermöglichen Bodenverfärbungen und Funde die Rekonstruktion des Lagerlebens und der unmenschlichen Behandlung der Gefangenen.

Außerdem zeigt das LWL-Museum für Archäologie und Kultur Objekte, die der „Förderverein Gedenkstätte Stalag 326 (VI K) Senne e. V.“ zur Verfügung stellt. Dabei handelt es sich um selbst hergestellte kunsthandwerkliche Gegenstände wie einen Holzteller, ein Strohkästchen oder ein Gemälde. Sie stammen von Kriegsgefangenen, die aufgrund ihrer künstlerischen oder handwerklichen Fähigkeiten beauftragt wurden, entsprechende Gegenstände für die Nationalsozialisten herzustellen. Nur so konnten sie ihr Überleben sichern.

Sechs Themenbereiche beleuchten den Aufbau des Lagers im Zweiten Weltkrieg, den Lebensalltag und das Überleben der sowjetischen Kriegsgefangenen. Ein siebter widmet sich der Nachnutzung von Stalag 326. Eine digitale Tour mit den Objekttexten und zusätzlichem Bildmaterial ist auf dem Multimediaguide des Museums verfügbar.

Neben der offiziellen Eröffnung erlebten die Besucher und Besucherinnen ein Vortrag der LWL-Archäologen Dr. Sven Spiong und Dr. Michael Malliaris.



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