Tagung der Höheren Kommunalverbände
In der vergangenen Woche fand in Kassel die diesjährige Plenartagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Höheren Kommunalverbände (BAG HKV) statt. Gastgeber war dieses Mal der Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV), der dort Träger der Eingliederungshilfe ist.
Als Delegierter für den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) war Arne Hermann Stopsack neben Vertretern der Verwaltung, wie z. B. Landesdirektor Dr. Georg Lunemann sowie Vertretern der Politik mit dabei.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Höheren Kommunalverbände (BAG HKV) ist ein Zusammenschluss von 18 höheren Kommunalverbänden aus acht verschiedenen Bundesländern. Sie vertritt 190 Landkreise und 86 kreisfreie Städte in Deutschland.
Die Höheren Kommunalverbände sind öffentlich-rechtliche Körperschaften, die neben den Städten und Gemeinden, kreisfreien Städten und Landkreisen Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung wahrnehmen. Sie sind integraler Bestandteil der „kommunalen Familie“.
Im Mittelpunkt der Tagung standen Themen aus dem Sozialbereich, aber zur Jugendhilfe und Psychiatrie gab es Vorträge und Diskussionen.
Ein Schwerpunkt war die Forderung nach einer Neuregelung der Finanzierung bei der Eingliederungshilfe, um Bund und Länder stärker an den ständig steigenden Kosten von Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinderungen zu beteiligen. Besonders im Fokus standen die sogenannten systemwidrigen Leistungen. Das sind jene, die keine originären Teilhabeleistungen sind, aber von deren Trägern wie dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) gleichwohl erbracht werden.
„Die kommunalen Träger können keine Lückenbüßer für Kosten sein, die mit der Teilhabe behinderter Menschen direkt nichts zu tun haben“, sagte die HKV-Vorsitzende Susanne Selbert vom Landeswohlfahrtsverband Hessen.
Dr. Georg Lunemann, der den Vorsitz der BAG HKV ab Mai 2024 als Nachfolger von Susanne Selbert übernimmt: „Teilhabe für alle durch Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und erfordert eine aufgabenadäquate Finanzausstattung der Träger der Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinderungen. So haben sich die Bruttoausgaben der Leistungen für Teilhabe in Deutschland in den vergangenen 16 Jahren mehr als verdoppelt – 2022 auf rund 23 Milliarden Euro. Wir können unseren Kommunen nicht Jahr für Jahr höhere Umlagen aufbürden. Der Bund und die Länder müssen sich ebenfalls nachhaltig an den Kosten für Teilhabeleistungen beteiligen, damit die kommunale Familie handlungsfähig bleiben kann.“
Bei den „systemwidrigen Leistungen“ sieht die BAG der Höheren Kommunalverbände neben Bund und Ländern auch die Pflegeversicherung und die gesetzliche Krankenversicherung als Kostenträger in der Pflicht. Für die kommunalen Träger der Teilhabeleistungen würde dies ein Einsparungspotenzial von vielen Millionen Euro bedeuten. Dies sei umso wichtiger, da die Ausgaben für die originären Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderungen enorm angestiegen seien, so die BAG-Vorsitzende Selbert.
Die hohen Kostensteigerungen liegen unter anderem darin begründet, dass die Zahl der Menschen, die Anspruch auf Teilhabeleistungen besitzen, stark zugenommen hat und weiter zunehmen wird. Das gilt insbesondere für Menschen mit einer psychischen Behinderung. Zudem steigt die Lebenserwartung von Menschen mit wesentlichen Behinderungen und damit verbunden über die Jahre deren Unterstützungsbedarf. Eine andere finanzielle Zusatzbelastung resultiert aus den Tarifsteigerungen für das Personal bei den Leistungserbringern, also jene, die vor Ort die behinderten Menschen unterstützen.
Ein Beispiel für systemwidrige Leistungen ist laut BAG HKV, dass behinderte Menschen, die in einer sogenannten Besonderen Wohnform (früher: „stationäre Einrichtung“) leben und Teilhabeleistungen erhalten, geringere Pflegeversicherungsleistungen bekommen, als wenn sie in einem üblichen Pflegeheim untergebracht wären. In Zahlen: Sie erhalten eine Pauschale von höchstens 266 Euro monatlich, obwohl sie als pflegebedürftige Versicherte Anspruch auf Geld aus der Pflegeversicherung von bis zu 2.005 Euro monatlich – je nach Pflegegrad – hätten. Dies widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz und den Forderungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention, so die BAG HKV.
Weitere Beispiele für „systemwidrige Leistungen“ sieht die BAG HKV
– bei den Kosten der Unterkunft für Menschen mit Behinderungen. Eigentlich sind die Kommunen für diese sogenannten „existenzsichernden Leistungen“ zuständig; ihnen werden die Mietzahlungen innerhalb eines festgesetzten Rahmens vom Bund zurückerstattet. Übersteigen die Kosten der Unterkunft diesen Rahmen aber um mehr als 25 Prozent, müssen die Träger der Teilhabeleistungen wie der LWL diese Mehrkosten tragen – eine Erstattung durch den Bund findet nicht statt. Deshalb müssen nach Ansicht der BAG HKV alle Unterkunftskosten in die Zuständigkeit des jeweiligen Trägers der existenzsichernden Leistungen übertragen werden und der Bund die Kosten erstatten.
– Bestimmte Personengruppen (in der Regel suchtkranke Menschen) erhalten keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Deren medizinische Rehabilitation wird derzeit durch die Träger der Teilhabeleistungen finanziert, nicht durch die Krankenkassen. Durch gesetzliche Änderungen könnten alle Personen in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden. Daher plädiert die BAG HKV auf eine Neuregelung der Kostenzuständigkeit der Krankenkassen für die Betreuung in Fachkliniken der medizinischen Rehabilitation.
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