FDP-FW-Fraktion stimmt LWL-Haushalt zu

Landschaftsversammlung am 18. Dezember 2019

Der erste Doppelhaushalt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) ist am 18.12. mit großer Mehrheit verabschiedet worden. Insgesamt liegt das Haushaltsvolumen für die beiden Jahre 2020 und 2021 damit bei ca. 7,2 Mrd. Euro.

Ergebnis für die 27 Kreise und kreisfreien Städte in Westfalen-Lippe: Der LWL hält den Hebesatz zur Landschaftsumlage im Jahr 2020 bei 15,15 Prozent; im Vergleich zur Haushaltseinbringung im Oktober konnte der Hebesatz damit um 0,3 Prozentpunkte geringer ausfallen. Die Belastung für die Mitgliedskörperschaften fällt damit 2020 geringer aus als nach der Einbringung des Haushaltes im Oktober erwartet. Dies wird möglich, weil der LWL zum Ausgleich des Haushaltes 2020 seine Ausgleichsrücklage in Anspruch nimmt. Statt ursprünglich geplanter 10,5 Mio. Euro werden im Jahr 2020 nun 47,3 Mio. Euro eingesetzt. Im Jahre 2021 steigt der Umlagesatz moderat auf 15,40 Prozent.

Eine aktuelle Übersicht über die vorläufige Landschaftsumlage 2020 der einzelnen Kreise und kreisfreien Städte finden Sie hier: Vorläufige Landschaftsumlage 2020 – Verabschiedung Haushalt

Die Zustimmung der FDP-FW-Fraktion zu dem Doppelhaushalt begründete Vorsitzender Arne Hermann Stopsack in seiner Haushaltsrede, in der er auch auf die zukünftigen Herausforderungen des Landschaftsverbandes einging:

 

„Sehr geehrter Vorsitzender Dieter Gebhard,

Herr Direktor Matthias Löb,

liebe Kolleginnen und Kollegen in der Landschaftsversammlung,

sehr geehrte Damen und Herren!

Heute verabschiedet die 14. Landschaftsversammlung ihren letzten Haushalt und dies wohl mit einer großen Mehrheit. Oberflächlich, also vom Finanzvolumen her, betrachtet erscheint der Doppelhaushalt unspektakulär zu sein, doch ganz so einfach ist die Sache dann doch nicht: unter der Oberfläche finden sich strukturelle Veränderungen und zahlreiche Herausforderungen für die kommenden Jahre.

Deutlich wird uns in diesen Tagen wieder in Erinnerung gerufen, dass wir in Westfalen-Lippe kein homogenes Gebilde sind, sondern sehr unterschiedliche Größen, Strukturen und Herausforderungen zu berücksichtigen haben. Vom Ruhrgebiet, das ja vor einigen Tagen wieder als Armenhaus der Republik durch die Medien ging, bis hin zu den steuerstarken Kommunen im Münsterland und in OWL müssen wir gleichwertige Lebensverhältnisse anstreben und einen Umlagesatz festlegen, mit dem alle Mitgliedskörperschaften und der LWL leben können. Sowohl diejenigen, die im Stärkungspakt sind und nicht wissen, wie sie die Enden noch zusammen bekommen, als auch diejenigen, deren Problem darin besteht, keine Minuszinsen auf ihre Guthaben zahlen zu wollen.

Der LWL hat in den vergangenen Jahren seine Ausgleichsrücklage signifikant auffüllen können, weil der Haushaltsvollzug sich erheblich positiver gestaltete als prognostiziert. Somit haben wir nun wieder etwas Spielraum. Es ist für uns als FDP-FW-Fraktion wichtig, dass der LWL dauerhaft über eine Ausgleichsrücklage zwischen 2 und 3% des Haushaltsvolumens (zwischen 70 und 110 Mio. Euro) verfügen kann, um bei unvorhergesehenen Entwicklungen oder Krisen handlungsfähig zu bleiben. Darüber hinaus gehende Beträge können abgeschmolzen werden und so die Steigerung der Zahllast für die Kreise und kreisfreien Städte dämpfen. Es ist aber nicht sinnvoll, dies in nur einem Jahr zu tun, denn wir müssen noch Reserven haben, wenn die Zeiten wieder schlechter werden.

Die jetzt zu beschließenden Umlagesätze von 15,15% (2020) und 15,40% (2021) entsprechen aus Sicht der FDP-FW-Fraktion dem Rücksichtnahmegebot, stellen die Handlungsfähigkeit des Landschaftsverbandes sicher und sind somit nachhaltig. Wir werden dem Doppelhaushalt deshalb zustimmen.

Ein Dank gilt hier den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landschaftsverbandes, die an unterschiedlichen Orten in unterschiedlichen Funktionen für den Verband tätig waren und diesen Haushalt dann umsetzen, so dass die Leistungen bei den Menschen ankommen.

An dieser Stelle möchte ich auch einen besonderen Dank aussprechen und zwar an jemanden, der heute nicht mehr unter uns sitzt: Judith Pirscher. Von 2011 bis Ende November 2019 hat Judith Pirscher als Landesrätin für den Bau- und Liegenschaftsbetrieb und die Kommunalen Versorgungskassen hervorragende Arbeit geleistet. So ist es maßgeblich ihr zu verdanken, dass in den letzten Jahren problemlos so große Beträge verbaut werden konnten: ich erwähne hier nur die dreistelligen Millionenbeträge beim PsychiatrieVerbund, die zahlreichen Kulturbauten und die bis jetzt gut im Plan liegende Abwicklung des Programms Gute Schule 2020. Judith Pirschers Berufung zur Regierungspräsidentin in OWL ist nicht nur eine persönliche Auszeichnung für sie und ihre Arbeit, sondern auch eine Anerkennung für den gesamten LWL.

Ich möchte jetzt die Gelegenheit nutzen, neun Anmerkungen und Denkanstöße der FDP-FW-Fraktion zu geben, welche noch die 15. Landschaftsversammlung ab Anfang 2021 beschäftigen werden und der verbandspolitischen Standortbestimmung des LWL dienen können:

Soziales

  1. Es ist nur schwer zu vermitteln, dass bei immer größerem Wohlstand und immer mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigten trotzdem der Sozialaufwand ständig steigt. Die Erwartungen der Menschen an den Staat und seine Institutionen werden immer höher, der Drang in den Wohlfahrtsstaat hält an. Die Gesellschaft erwartet vom Staat nicht nur die Absicherung von Lebensrisiken, sondern immer mehr das Garantieren eines gelingenden Lebens. Der Kreis von Menschen, die in den Genuss staatlicher Unterstützung kommen, wird so immer größer. Gerade die Kommunale Selbstverwaltung wird immer mehr zum reinen Kostenträger, Sozialleistungsbewilliger oder -erbringer. Deshalb steigen die Sozialausgaben auf allen Ebenen seit Jahren stärker als die Wirtschaftsleistung. Noch ist das System halbwegs finanzierbar, da die Steuereinnahmen weit stärker als die Wirtschaftsleistung wachsen. Das ist aber kein Naturgesetz, sondern ein überaus glücklicher Umstand, der maßgeblich auf der Stärke unserer Unternehmen und der Arbeit der Bürgerinnen und Bürger beruht. Ein Blick in die Nachrichten zeigt, dass diese Phase nun zu Ende geht.

Das BTHG bringt höhere Einkommens- und Vermögensfreigrenzen für Leistungsempfänger mit sich. Ebenso tritt jetzt eine Leistungserweiterung „Hilfe zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben“ in Kraft. Der Bundestag hat ein Angehörigen-Entlastungsgesetz beschlossen. Es steht ein Mindestlohn von 12 Euro im Raum. Das Klimapaket legt nun den CO2-Preis ab 2021 auf 25 statt 10 Euro pro Tonne fest.

Für alle diese Entscheidungen findet man gute Argumente, sie dienen hehren Zielen. Doch wir müssen uns immer in Erinnerung rufen, dass irgendjemand das am Ende wird bezahlen müssen! Wir dürfen die Gesellschaft, die Solidargemeinschaft aber nicht überfordern.

Eigentlich müsste man in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation ein fünfjähriges Moratorium für Sozialleistungen und Standards beschließen, um erst einmal alle Regelungen in Kraft treten zu lassen und die konkreten Wirkungen zu bewerten, bevor man schon wieder neue Leistungen, die immer auch Kostenbelastungen sind, fordert.

  1. Bis Ende 2022 soll das Institut für Sozialforschung die Evaluation des BTHG auf Bundesebene (Art. 25 Abs. 4 BTHG) unter dem Blickwinkel der finanziellen Auswirkungen vornehmen, bis 2028 soll in NRW gem. Art. 8 AG-BTHG NRW die Aufgabenübertragung finanztechnisch evaluiert werden.

Mindestens genauso wichtig ist es aus unserer Sicht, die Wirkungen für die Leistungsempfänger, also für die Menschen, in den Blick zu nehmen. So konnte man unlängst in den Medien lesen, dass vieles an der Reform bei den Betroffenen zu Unsicherheiten und Ängsten führt. Wie wirken sich die Sozialleistungen tatsächlich aus? Wie ist das Zusammenspiel der verschiedenen Leistungssysteme? Wo sind Fehlsteuerungen? Haben die Menschen einen Gewinn an Lebensqualität? Gelingt es, dass Menschen auch wieder ohne staatliche Hilfe leben können?

Allgemeine Finanzwirtschaft/Stellenplan

  1. Über viele Jahre hinweg hat uns die Diskussion um die Zukunft der RWE-Beteiligung beschäftigt. Wir haben RWE nie als strategisch erforderlich, sondern als wirtschaftlich nicht erforderliches Klumpenrisiko für den LWL gesehen. Jetzt beginnt der Einstieg in den Ausstieg. Erstmal als kleiner Schritt, aber in die richtige Richtung. Wir werben dafür, hier auf absehbare Zeit ganz auszusteigen und die frei werdenden Mittel für unsere Kernaufgaben einzusetzen.
  2. Ein kritisches Augenmerk gilt auch dieses Jahr wieder dem dynamischen Stellenaufwuchs, der bei allen Umlagehaushalten zu verzeichnen ist. 156,86 Stellen beim LWL werden erstmals über Umlagemittel finanziert, davon 85,36 auf Grund des BTHG. Das ist schon ein Schluck aus der Pulle! Wir als FDP-FW-Fraktion fragen uns, ob auch alle diese Stellen überhaupt adäquat besetzt werden können und ob die Digitalisierung Verwaltungsprozesse nicht schneller und weniger personalintensiv machen soll.

Kultur

  1. Am 19.11. ist der Gesetzesentwurf zum „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ in den Landtag eingebracht worden. Es ist für uns als LWL aus verbandpolitischem Interesse wichtig, dort eine aktive Rolle zu spielen und die unbestrittene fachliche Kompetenz der Landschaftsverbände in Düsseldorf einzubringen. Auch mit Blick auf künftige Förderentscheidungen des Landes NRW ist es mehr als ratsam, sich als LWL zu einem frühen Zeitpunkt konstruktiv zu beteiligen. Verwaltung und Politik sollten hierzu in den nächsten Wochen eine gemeinsame Strategie entwickeln, denn Einfluss auf solch ein Projekt kann man nur zu einer frühen Phase nehmen.
  2. Die Digitalisierung ist nicht nur in Wirtschaft und Verwaltung eine riesige Aufgabe und Chance, sondern auch eine Herausforderung für die Kultur. Es freut uns deshalb außerordentlich, dass unser LWL-Museum in Herne im Rahmen eines bundesweiten Wettbewerbs jetzt über eine Mio. Euro für die Digitalisierung erhalten wird. Hier gibt es noch viel zu tun. So muss der LWL unbedingt ein modernes Ticketing in seinen Museen ermöglichen, so dass Eintrittskarten z. B. schon zu Hause gekauft und bestimmte Besuchszeiten oder Leistungen gebucht werden können. Gerade für kleinere und ehrenamtlich betriebene Museen stellen das veränderte Verhalten der Nutzer und die Erwartungen im Bereich digitaler Inhalte eine große Herausforderung dar, wo der LWL als Berater immer mehr gefordert sein wird.

Das LWL-Museum für Naturkunde Münster ist ein echter Besuchermagnet und erreicht viele Menschen, darunter viele Schülerinnen und Schüler. Dort wird naturwissenschaftliche Bildung, die wir in dieser Zeit so nötig haben, lebendig vermittelt. Jetzt wird nach dem Planetarium dort noch einmal richtig Geld investiert. Das ist gut angelegtes Geld, gerade zur Unterstützung der Schulen bei den MINT-Fächern.

Schon lange wird ja über das Beförderungssystem im LWL-Freilichtmuseum Hagen diskutiert. Warum gehen wir hier nicht noch einen Schritt weiter in die Zukunft und versuchen, dort eine fahrerlose autonome Wegebahn in Kooperation mit einer Hochschule als Modellprojekt zu entwickeln und umzusetzen? Das wäre doch was: autonome Fahrzeuge in historischer Kulisse und alles vernetzt! Da kämen auch Besucher, nur um das System einmal live zu erleben.

Bauen und Umwelt

  1. Das Thema bezahlbare Mobilität wird in den nächsten Jahren immens an Bedeutung gewinnen. Für den mehr ländlich und suburban strukturierten Raum wie große Teile Westfalens wird es für die Zukunftsfähigkeit mit entscheidend sein. Die Verkehrswende hin zu einer systemischen und ressourcenschonenden, aber effizienten, Mobilität wird schnell die öffentliche Akzeptanz verlieren und damit Wunschtraum bleiben, wenn es nicht gelingt, tragfähige Lösungen für die Gebiete jenseits der Metropolen zu finden.

Die Landschaftsverbandsordnung weist den Landschaftsverbänden in § 5 Abs. I c 2 ausdrücklich die Kompetenz zu, sich an Verkehrsunternehmen beteiligen zu dürfen. Der LWL hat durch den Straßenbau und Beteiligung an Verkehrsunternehmen in der Vergangenheit hier durchaus positiv wirken können. Doch die heutigen Herausforderungen sind andere. Es geht uns eindeutig nicht darum, uns irgendwie an defizitären kommunalen Nahverkehrsunternehmen zu beteiligen. Wir als LWL können aber (zusammen mit den Bezirksregierungen) Moderator und Katalysator für eine vernetzte Verkehrsentwicklung in Westfalen-Lippe werden.

Ja, ich weiß, es gibt die Verkehrsverbünde und dort auch politische Akteure und Fraktionen. Diese haben aber schlichtweg keine Bekanntheit oder Außenwirkung und kaum Verankerung vor Ort und in der Fläche, so wie wir das als LWL noch haben.

  1. Das Thema Energieeffizienz, Ressourcenschonung und Klimaschutz wird uns in den nächsten Jahren begleiten. Wir als FDP-FW-Fraktion wollen hier pragmatische Lösungen mit Augenmaß und Vernunft, die einen Weg der Mitte zwischen Klimaideologie und Klimaignoranz beschreiten und Zielerreichung mit Bezahlbarkeit verbinden.

Bei der Energiewende kommt dem Bausektor eine besondere Bedeutung zu. Es wird in den nächsten Jahren vom Bund und vom Land mit Sicherheit eine reichhaltige Förderkulisse für energetisches Bauen geben. Hier muss der LWL geeignete Maßnahmen in der Pipeline haben und personell gut vorbereitet sein, daran zu partizipieren, gerade bei der Standortentwicklung der großen Kliniken.

Die neuen Gebäudeanforderungen stellen aber häufig (nicht nur für den LWL) eine Herausforderung für den Denkmalschutz und die regionale Baukultur dar. Der Landschaftsverband kann hier seine unbestreitbare Kompetenz einbringen und Partner der Kommunen sein.

Gesundheit

  1. Im Gesundheitswesen wird sich der Konzentrationsprozess in den kommenden Jahren noch beschleunigen, sowohl bei den somatischen als auch verstärkt bei den psychiatrischen Kliniken. Wir sind der größte Anbieter in Westfalen. Wir sollten eine aktive Rolle bei der Konsolidierung einnehmen, denn es wird zunehmend schwieriger werden, auskömmliche Betriebsergebnisse in den Kliniken zu erwirtschaften. Ich erwähne hier nur die strengeren Anforderungen an Personaleinsatz in den Kliniken, die geänderte Pflegeausbildung, die finanziellen Verbesserungen für Pflegekräfte sowie die höheren energetischen Standards.

Als großer Träger mit universitärer Anbindung und vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels für ärztliches Personal in unseren Kliniken sind wir prädestiniert, Entwicklungen in der Telemedizin aufzugreifen und aktiv mit den Akteuren vor Ort voran zu bringen. Wir können uns z. B. hier gut Projekte im Rahmen einer Regionale vorstellen.

Es gibt noch viele weitere Themen und Herausforderungen, die anzusprechen sich lohnte. Aber trotz eines Doppelhaushaltes haben wir ja nicht die doppelte Redezeit. Enden möchte ich mit einem Zitat von Otto von Bismarck: „Alle menschlichen Einrichtungen sind unvollkommen – am allermeisten staatliche.“ Lassen Sie uns alle zuversichtlich und optimistisch daran mitwirken, die guten Einrichtungen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe noch besser zu machen. Für die Menschen. Für Westfalen Lippe.

Jetzt bleibt es mir nur noch, Ihnen allen eine frohe und entspannende Weihnachtszeit und ein gutes Jahr 2020 zu wünschen. Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit und: Glück auf!“

 



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