Haushaltsrede der FDP-FW-Fraktion in der Landschaftsversammlung am 19.12.2018
Das Westfalenparlament des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) hat bei seiner Sitzung am 19. Dezember 2018 in Münster mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP-FW-Fraktion den Haushalt für 2019 verabschiedet. Dieser umfasst ein einem Volumen von 3,6 Mrd. Euro. Die Landschaftsumlage konnte deutlich von 16,0% auf 15,15% gesenkt werden, so dass die Mitgliedskörperschaften real weniger als 2018 zahlen müssen.
In seiner Haushaltsrede begründete Arne Hermann Stopsack als FDP-FW-Fraktionsvorsitzender nicht nur die Zustimmung seiner Fraktion zum Haushalt, sondern nahm auch zu strategischen Fragen des LWL Stellung:
Sehr geehrter Vorsitzender Dieter Gebhard,
Herr Direktor Matthias Löb,
liebe Kolleginnen und Kollegen in der Landschaftsversammlung,
sehr geehrte Damen und Herren!
So viel Geld haben wir hier in einem Jahr noch nie ausgegeben: über 7 Mrd. Euro: 3,5 Mrd. Euro am 1. Februar 2018 und 3,6 Mrd. Euro heute. Erstmalig kommt also ein Haushalt noch im „alten Jahr“ und gibt den Mitgliedskörperschaften so sehr früh Klarheit für ihre eigenen finanziellen Planungen. Somit fällt auch die ewige Diskussion in den Kreisen und Städten weg, welchen Satz man denn bei der Planung einstellen solle und wie mit eventuellen Abweichungen umgegangen werden soll.
Die wirklich gute Botschaft für unsere Mitgliedskommunen ist aber: Der Umlagesatz sinkt sehr deutlich von 16,0% auf 15,15%. Die wirklich bemerkenswerte Botschaft dabei ist aber, dass erstmals sogar die Zahllast sinkt, der LWL für die Kommunen also günstiger wird. Noch vor zwei Jahren, bei der Einbringung des Entwurfs für 2017, war der Vorschlag der Verwaltung ein Hebesatz von 17,6% mit der Projektion eines Satzes von 17,9% für 2019. Davon sind wir weit entfernt – und das ist gut so. Quasi als Sahnehäubchen für den Kämmerer ist der Eigenkapitalverzehr seit 2017 gestoppt und die Ausgleichsrücklage – ich betone besonders das Wort Ausgleich – wächst durch den guten Haushaltsvollzug wieder an.
Die Haushaltsberatungen waren deshalb entspannt. Nicht nur bei uns, sondern bei den meisten unserer Mitgliedskörperschaften und Städten und Gemeinden. Der Grund ist ganz einfach: Die Sorgen der kommunalen Familie waren schon erheblich größer: 2017 erzielten die Kommunen in Deutschland einen Überschuss von 11 Mrd. Euro; die Gesamtverschuldung sank um 3,5% auf 138 Mrd. Euro.
Doch jetzt nehmen – jenseits der spezifischen LWL-Themen – die Risiken ganz erheblich zu: die Rahmenbedingungen sind längst nicht mehr so gut wie im vergangenen Jahr oder noch Anfang des Jahres. Wir alle wissen um die immer größer werdenden politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten in der Welt und auch in Europa, direkt vor unserer Haustür (z. B. Brexit).
Seit 10 Jahren haben wir kräftiges Wirtschaftswachstum und einen noch stärkeren Anstieg der Steuereinnahmen auf allen Ebenen in Deutschland zu verzeichnen. Dieser Zyklus ist an seinem Ende angekommen, genauso wie die Phase der historisch niedrigen Zinsen ohne nennenswerte Inflation. Es gibt keine Garantie oder gar einen Rechtsanspruch auf weiter steigende Einnahmen und nur moderat steigende Aufwendungen. Wir alle wissen, dass gerade für die Kommunen (Städte, Kreise und Landschaftsverbände) schon bei einer leichten Krise die (Sozial-) Leistungen umgehend ansteigen und die Einnahmen aus der Gewerbesteuer abrupt einbrechen. Dies wird kommen – ob nun in zwei, drei oder vier Jahren. Darauf müssen wir uns innerlich und inhaltlich vorbereiten.
Hervorheben möchte ich gleich zu Anfang den guten und kollegialen Umgang innerhalb der Politik und Verwaltung des LWL, der bei allen Meinungsverschiedenheiten immer an der Sache orientiert ist sowie von gegenseitigem Respekt geprägt ist. Leider ist das heute nicht mehr in allen politischen Vertretungen so. Danken möchte ich auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landschaftsverbandes, die an unterschiedlichen Orten in unterschiedlichen Funktionen für den Verband tätig waren und sind. Ohne diese vielen Menschen wären wir nicht in der Lage „Gutes zu unternehmen“.
Das kommende Jahr sollte uns die Möglichkeit geben, einige wichtige Themen inhaltlich anzugehen und über das Selbstverständnis des LWLs zu reflektieren:
- 2019 wird ein Jahr wichtiger Entscheidungen, z. B. bei und für „unsere“ Provinzial. Vor dem Hintergrund der Niedrigzinsphase, der wachsenden Digitalisierung in der Finanzbranche und den immer weiter wachsenden regulatorischen Vorgaben ist es unbestritten, dass eine Fusion mit dem Rheinland die unternehmerisch richtige Entscheidung ist. Jetzt gilt es den Prozess der Fusion, der noch nie so weit war, zu begleiten und zu einem guten Abschuss zu führen. Wichtig ist es der FDP-FW-Fraktion, dass der Konzern auch nach der Fusion seine unternehmerische Flexibilität behält und die wirtschaftlich erforderlichen Entscheidungen nicht durch rein regionalpolitische Interessen verlangsamt, erschwert oder gar blockiert werden. Es ist ja auch kein Geheimnis, dass diese Fusion noch nicht das Ende der Fusionen im öffentlich-rechtlichen Versicherungssektor sein wird. Welche Rolle der LWL langfristig bei einem Konzern, der dann weit über Westfalen-Lippe hinaus wirtschaftlich aktiv sein wird, spielen soll, muss zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden. Ich sage mal voraus, dass ähnliche Argumente wie bei der RWE eine Rolle spielen werden……
- Beim Thema RWE hält die FDP-FW-Fraktion weiterhin an ihrer langjährigen Position fest: Die RWE-Aktien sind keine strategische Beteiligung des LWL, sondern eine historische gewachsene Tatsache ohne Ewigkeitscharakter. Der kommunale Einfluss ist bestenfalls noch in homöopathischen Dosen feststellbar. Die wirtschaftlichen und politischen Risiken in den Energiemärkten nehmen noch weiter zu. Es kann nicht Aufgabe eines kommunalen Sozial-, Gesundheits- und Kulturverbandes sein, diese Risiken in seinen Büchern zu haben. Letztlich haften dafür über die Umlage und die Grundsteuern die Bürgerinnen und Bürger von Westfalen-Lippe! Es freut uns außerordentlich, dass nun auch der LWL-Direktor unsere Position teilt. Wichtig ist für uns nun der zweite Schritt: Wir müssen uns interessewahrend von den Anteilen trennen. Und diese Entscheidung ist unsere hier in Münster und darf nicht von Sekundärinteressen anderer kommunaler Eigner bestimmt werden. Ebenso klar wie die Trennungsabsicht ist für uns als FDP-FW-Fraktion, dass der Verkaufserlös im Sinne unserer nachhaltigen Aufgabenwahrnehmung verwendet werden muss. Wir haben ja noch ca. 150 Mio. Euro Liquiditätskredite und 250 Mio. Euro Investitionskredite. Bei steigenden Zinsen wäre sicherlich eine dortige Tilgung ein sinnvoller Baustein für die Erlösverwendung. Die politische Diskussion darüber müssen wir bald führen.
- Ein gesellschaftliches Mega-Thema ist die Digitalisierung. Dabei geht es um mehr als schnelle Internetverbindungen, mehr Computer oder die Verarbeitung immer größerer Datenmengen. Die Digitalisierung verändert die gesamte Gesellschaft, die Art und Weise wie Menschen kommunizieren, zerschlägt alte Strukturen und Branchen und schafft Wachstum und Neues an anderen Stellen. Gerade Verwaltungsprozesse, die große Mengen ähnlicher Daten erfassen und verarbeiten, sind prädestiniert für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und Automatisierung von Verfahren. Diese Querschnittsaufgabe müssen wir gemeinsam angehen. Unser Schwesterverband, der Landschaftsverband Rheinland (LVR) hat mit dem Haushalt für 2019 sogar die Stelle eines eigenen Landesrates oder einer eigenen Landesrätin für Digitalisierung und Mobilität beschlossen. So weit muss man zum jetzigen Zeitpunkt nicht gehen. Dennoch müssen wir uns Gedanken machen, wie und wo wir das Thema prominenter aufhängen und welche zusätzlichen personellen Ressourcen wir dort investieren möchten, denn vergleichsweise sind wir bei der IT schmal aufgestellt. Die FDP-FW- Fraktion schlägt deshalb vor, das Thema Digitalisierung 2019 intensiv in den Fokus zu nehmen. Ähnlich wie beim Aktionsplan Inklusion oder dem Thema Personalgewinnung soll dezernats- und ausschussübergreifend eine Bestandsaufnahme gemacht werden, die dann zu einer Digitalisierungsstrategie entwickelt werden soll.
- Zur Wahrheit gehört auch, dass viele Faktoren, die eine so günstige Aufwandsentwicklung für den LWL im Sozialbereich ermöglicht haben, nicht so ohne weiteres fortgeschrieben werden können oder Einmaleffekte sind. Für die kommenden Jahre werden die Mitgliedskörperschaften wieder mit steigenden Umlagezahlungen rechnen müssen. Bei all der guten momentanen Entwicklung muss man aber konstatieren, dass die gesamten sozialrechtlichen Ansprüche gegen den Staat immer größer werden. Jede Leistungsausweitung ist zwar für den betroffenen Personenkreis positiv, führt aber zu einer steigenden impliziten Staatsverschuldung, die abbildet, wie groß die Leistungsversprechen sind, wenn man sie heute mit realem Geld unterlegen müsste. Was mir zunehmend Sorge bereitet ist, dass gerade im Bereich des Sozialen die Effekte und Wirkungen von Gesetzesvorhaben kaum noch seriös abschätzbar sind, das BTHG, das zudem noch über viele Jahre in Stufen seine Wirkung entfaltet, ist dafür exemplarisch. Wer kann das Sozialrecht in Deutschland in seiner Breite und Tiefe überhaupt noch überschauen? Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Diskussion sage ich aber deshalb deutlich: Es muss finanziell und kompetenzmäßig klare und einfache Zuordnungen geben, damit es letztlich auch politisch klare Verantwortung gibt und nicht hinterher niemand mehr für etwas gerade steht. Es wäre eigentlich an der Zeit, dass der Bund eine Enquete-Kommission zur Zukunft der Sozialen Absicherung einsetzt, die systematisch auch die einzelnen Bücher des Sozialgesetzbuches (SGB) durchforstet und Vorschläge erarbeitet, wie Hilfen und deren Träger klar gegeneinander abgrenzt werden.
- Ich gebe zu: die Stellenmehrung von 171,85 VZÄ hat in der FDP-FW-Fraktion nicht gerade zu Begeisterungsstürmen geführt; immerhin ist ein Großteil davon umlagefinanziert. Die Begründungen waren zwar nachvollziehbar; wir hätten aber gehofft, dass die Amortisierungszeiträume geringer sind oder an anderer Stelle die Aufgaben mit weniger Personal erledigt werden könnten.
- Eine große Herausforderung ist, schon wegen des engen Zeitplans, die Umsetzung des AG BTHG. Dieses regelt unter anderem, dass ab 2020 die Landschaftsverbände für die Eingliederungshilfe in den Kindertagesstätten und der Kindertagespflege sowie für die Frühförderung zuständig sind. Ein Ziel dieser Regelung ist, dass künftig mehr Leistungen aus einer Hand gewährt werden. Das ist gut und richtig. Wir erwarten aber auch, dass die Prozesse so strukturiert werden, dass keine neuen bürokratischen Hürden entstehen. Genauso wichtig ist es, dass die schon vor Ort vorhandenen Strukturen eingebunden und weiter entwickelt werden und nicht alles ohne Beteiligung der Städte und Kreise auf dem Reißbrett im fernen Münster geplant und entschieden wird.
- Welche Rolle soll der LWL zukünftig in Westfalen spielen? Diese Frage ist im letzten Jahr in etlichen Zusammenhängen oder auch nur unterschwellig aufgetaucht. Für die FDP-FW-Fraktion ist klar: Der LWL soll Dienstleister für die Menschen in Westfalen-Lippe sein und eine Servicefunktion für seine Kommunen Denn da sind wir richtig gut! Beispiele für letzteres sind das Zentralarchiv in der Speicherstadt oder das neue Museumsportal (www.museen-in-westfalen.de). Dabei soll der LWL sich aber grundsätzlich auf seine Kernkompetenzen (Soziales, Geistige Gesundheit, Kultur, Schulen und Jugend) beschränken und nicht in die Aufgabenbereiche anderer Akteure (Städte, Kreise, Bezirksregierungen, Landesregierung) eingreifen. Strukturpolitik, Straßenbau, Windkrafträder oder Tourismusförderung sind nicht originäre Aufgaben des LWL. Der LWL kann zwar hier und da Impulse geben oder Moderator sein, aber nicht in allen Bereichen eigene Linien verfolgen. Ein – aus unserer Sicht schlechtes Beispiel – für eine ungebremste Aufgabenexpansion, die dann natürlich zu einer Ausgabenexpansion und Kompetenzkollision führt, ist der Regionalverband Ruhr (RVR). Wie eine Krake sucht er immer neue Betätigungsfelder, aktuell die Internationale Gartenbauausstellung 2027 (IGA) mit einem Investitionsvolumen von 61 Mio. Euro.
- Der LWL investierte und investiert in großem Maßstab — vor allem im PsychiatrieVerbund, in seine Schulen, in die Kultur! Als Beispiele nenne ich hier nur das neue Hauptgebäude der Klinik in Münster, das morgen zu eröffnende Gebäude der LWL-Klinik Hemer, das neue Eingangsgebäude im Freilichtmuseum Detmold, die Wegebahn im Freilichtmuseum Hagen, die Investitionen im Planetarium in Münster oder die zahlreichen Maßnahmen aus dem Programm Gute Schule 2020. Das ist richtig so! Wir müssen die guten Jahre nutzen, um uns baulich für die Anforderungen der kommenden Jahre zu wappnen. Es freut uns, dass der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des LWL (BLB) dieses Mammutprogramm bis jetzt souverän abwickeln kann. Das ist nicht bei allen öffentlichen Bauprojekten so. In diesem Zusammenhang ist die heute erfolgte Wiederwahl der zuständigen Landesrätin Judith Pirscher auch eine Anerkennung für diese Leistung.
Um es jetzt kurz zu machen: Die FDP-FW-Fraktion stimmt dem LWL-Haushalt für 2019 zu! Jetzt bleibt es mir nur noch, Ihnen allen eine frohe und entspannende Weihnachtszeit und ein gutes Jahr 2019 zu wünschen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und: Glück auf!
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